geschrieben von: Antonia, Julia, Sinem
November 2022
Die Schüler sitzen gerade erschöpft, aber zufrieden im ICE 17 von Brüssel-Nord nach Köln Hbf, um von dort aus zurück in ihre Heimatstadt Mainz zufahren. Doch, dass sie überhaupt erst in Brüssel ankamen, war nicht immer selbstverständlich. Die Hinfahrt war durch Turbulenzen, Chaos, Adrenalin, aber auch zwischenzeitlich purer Verzweiflung geprägt.
Unsere Reise begann am Tag zuvor, dem 9.11. Der Erdkunde-Stammkurs der 12. Klasse von Herr Walter saß vormittags mit Rucksäcken, gepackt für eine Nacht, noch gespannt im Unterricht. Der Plan war um 14:00 Uhr mit dem Zug nach Leuven zu fahren und dort eine Nacht zu verbringen, damit die Kurse von Frau Thamm und Herrn Walter morgens pünktlich um 9:30 Uhr vor dem Europäischen Parlament in Brüssel stehen. Doch bereits während des Unterrichtes erreichte uns eine Nachricht, die nicht sonderlich vielversprechend klang. Ein Generalstreik in ganz Belgien sollte den öffentlichen Verkehr lahmlegen. Da der Kurs sich entschied umweltfreundlich zu reisen, und so auf den öffentlichen Verkehr angewiesen war, entstand damit also das erste Problem. Aber, dass Herr Walter sich von sowas nicht so einfach geschlagen gibt, war klar. Er fuhr ganze 10 Minuten später erneut mit seinem Fahrrad zum Bahnhof, um dort eine Lösung zu finden. Der neue Plan war es nun, erst um 17 Uhr und auch nicht über Köln, sondern über Frankfurt in Richtung Brüssel loszufahren.
17:00 Uhr: Die Schüler stehen mit Vorfreude am Gleis und warten auf die S8. Aber wie es so kommen muss, erwartete uns in Frankfurt angekommen, ein erneuter Rückschlag. Dieses Problem war schwerer zu lösen als das erste. Der Anschlusszug fiel aufgrund einer Streckensperrung aus. Dies war der letzte direkte Zug nach Lüttich (ein weiterer Umsteigeort) und somit auch die letzte Möglichkeit dort anzukommen. Herr Walter, in seiner neongelben Jacke, eilte zügig mit großen Schritten voraus, die Schüler ihm hinterher. So wirkten wir für Außenstehende wohl wie eine Schafsherde, die versuchte, mit dem Hirten mitzuhalten oder eine kleine Entenfamilie, die unschuldig umherirrt. 20 Minuten später stand der Kurs vor einer schwierigen Entscheidung.
Wir hatten zwei Optionen: Entweder ging es zurück nach Hause oder wir würden auf gut Glück nach Köln fahren, in der Hoffnung eine der Möglichkeiten wie Zug, Bus oder Hotel vor Ort nutzen zu können. Natürlich wollten und konnten wir noch nicht aufgeben, da unser Kampfgeist nicht ansatzweise erloschen war.
So fanden wir uns 30 Minuten später in einem völlig überfüllten Zug wieder. Sitzplätze gab es zwar nicht mehr ausreichend, allerdings wurde jeder Zentimeter von uns genutzt und so blieb auch der Boden unter den Kofferablagen nicht frei. Die Koffer dienten zudem noch als Möglichkeit für eine schnelle Runde UNO. Angekommen in Köln fand der Kurs sich zum zweiten Mal an diesem Tag vor einem Reise-und Informationszentrum wieder. Jetzt musste es schnell gehen. Draußen solle ein Bus bereitstehen, der alle nach Lüttich bringen würde. Von dort aus hätte es dann weiter gehen sollen. Wie genau, wussten wir nicht. Wir saßen nun mit weiteren Fahrgästen in einem Doppeldecker nach Lüttich. Die Busfahrt wurde von dem Kurs mit Spielen, wie Werwolf und Stadt, Land, Fluss, aber auch mit heiterem Gesang gestaltet. In Lüttich angekommen, hieß es aussteigen und nach einem Zug suchen. Erst wurde noch die wunderschöne Architektur bewundert, doch dann eine schockierende Realisierung. Bis auf zwei Obdachlose war keiner weit und breit zu sehen. Der vorherige Scherz, am Bahnhof zu übernachten, rückte jetzt der Realität immer näher. Von dort hatten wir keine Chance wegzukommen. Mitten im Nirgendwo, in einem fremden Land. Dank Herr Walter, der stets einen Plan B parat hat, wartete der Busfahrer jedoch noch. Nach einer hitzigen Diskussion, Überredungskünsten und mehrerer Zigaretten für den Busfahrer, erklärte er sich überraschenderweise bereit, alle nach Brüssel zu fahren. Dies war zwar nicht der reguläre Plan, da sich die gebuchte Jugendherberge in Leuven befand, aber was lief schon nach Plan an diesem Tag? Wir hatten nichts mehr zu verlieren und waren auf alles gefasst. Aufgrund der nach wie vor optimistischen Stimmung verging die Fahrt wie im Fluge.
Um 0:35 Uhr kam die Gruppe endlich in Brüssel an, vorbereitet waren wir jedoch auf nichts. Herr Walter eilt wieder zur Rettung. Mit seinen nahezu perfekten französisch Skills organisierte er uns ein Hotel. Dieses hatte zwar nicht genügend Betten für alle, doch zu diesem Zeitpunkt waren wir längst bereit, uns die Betten zu teilen. Der Weg dorthin erwies sich schwieriger als gedacht und wir waren des Öfteren verwirrt, wo genau es jetzt lang geht. Doch wie Herr Walter immer zu sagen pflegt: „Geographen verlaufen sich nicht. Sie erkunden“. 2 Uhr nachts im Hotel angekommen, staunten wir nicht schlecht. Herr Walter hatte uns nicht enttäuscht und ein superschönes, modernes Hotel auf die Schnelle mitten in der Nacht organisiert.
7:30 Uhr am nächsten Morgen: Nach einer kurzen, aber gemütlichen Nacht versammelte sich der Kurs langsam beim Frühstück. Waffeln, Speck, Eier, Croissants und ein ordentlicher Kaffee gaben uns neue Energie. Dadurch fühlten wir uns nun auch mental bereit und starteten unseren Weg zum Europäischen Parlament. Ein kurzer Stopp beim Supermarkt und ein Kauf unserer Metrokarten führten uns letztendlich zum Ziel. Dort wartete auch schon die ehemalige Schlossschülerin Kim auf uns, die uns diese Reise überhaupt erst ermöglicht hatte. Zunächst hatten wir ein interessantes Gespräch mit dem EU-Abgeordneten Patrick Breyer aus der Piratenpartei, der uns einen Einblick in seine Arbeit lieferte und im Anschluss noch geduldig Fragen beantwortete. Dadurch lernten wir etwas über die Struktur und den Ablauf des Parlaments und durften auch bei einer Abstimmung im Plenarsaal Zuschauer sein.
Anschließend statteten wir dem Parlamentarium einen Besuch ab und konnten viel über die Geschichte des EU-Parlamentes lernen und zuletzt noch ein paar Bilder knipsen. Auf dem Weg zurück zum Bahnhof legten wir einen Zwischenstopp zum Essen ein, damit wir nun gestärkt die Rückfahrt antreten konnten.
Alles in allem scheint die Exkursion auf den ersten Blick sehr anstrengend und kompliziert gewesen zu sein. Aber Dank Herr Walters unermüdlichen Einsatzes, Frau Thamms Gelassenheit und Entspannung in stressigen Situationen und natürlich dem Optimismus und der Glückseligkeit des Kurses, wurde sie zu einem unvergesslichen Abenteuer.