„Zwei Heimaten, eine so schön wie die andere“: Für die Ausstellung im Stadthistorischen Museum führen Schüler des Schlossgymnasiums lange Video-Interviews mit Zeitzeugen
Die Wanne hängt an der Wand, die Kleidung trocknet in der Küche – die Wohnverhältnisse waren für die Gastarbeiter lange Zeit sehr einfach. Es war schwer, eine Wohnung zu bekommen.
Foto: Klaus Benz
Ausstellung über Gastarbeiter der ersten Generation

von Michael Bermeitinger

MAINZ, 27.10.18 – Sie waren nicht allein, und dennoch war die Einsamkeit lange Zeit ihr treuester Begleiter – die Gastarbeiter der ersten Generation. Das Zurücklassen der Familie, die unendlich weit entfernte Heimat konnten auch die Schicksalsgenossen in den Wohnheimen nicht auffangen. Was die Menschen aus Italien, der Türkei, Portugal oder dem damaligen Jugoslawien für Ziele hatten, als sie sich auf den Weg ins ferne Mainz machten, welche Probleme sie hier hatten, was sie heute denken – dem widmet sich die Ausstellung „Mainzer Gastarbeiter der ersten Generation“, die ab Sonntag im Stadthistorischen Museum auf der Zitadelle zu sehen ist.
Jene schweren Jahre sind fast in Vergessenheit geraten, „und lange wird es nicht mehr gelingen, Zeitzeugen jener ersten Generation zu finden“, sagt Museumsleiterin Dr. Ute Engelen. Dass die 50 und mehr Jahre zurückliegenden Erinnerungen bewahrt werden, ist auch einer Arbeitsgruppe des Schlossgymnasiums zu verdanken: Dreizehn Schüler, die teilweise selbst aus Gastarbeiterfamilien stammen, erarbeiteten sich zwei Jahre lang das Thema, führten Interviews mit Zeitzeugen, die nicht nur in die Texte der Ausstellung einflossen, sondern auch als Film in der Schau zu sehen sind.
„Unser Ziel war immer, so schnell wie möglich zurückzukehren“, sagt Katica Vranesaṧ aus Kroatien in ihrem Interview, während sich Yilmaz Atalay erinnert, was für ihn das schlimmste Erlebnis war: „Die Wohnungssuche.“
Wohnen, Arbeiten, Schule, Migrantenorganisationen und Integration sind die wichtigsten Themen der Ausstellung. „Sie soll auch zeigen, welchen Beitrag die Gastarbeiter hier geleistet haben“, sagt Projektleiterin Nurhayat Canpolat, „und auch unter welchen Umständen.“
„Knigge für den Umgang mit ausländischen Mitarbeitern“
Einige der Interviewten haben auch kleinere Gegenstände zur Verfügung gestellt, die sie mit der damaligen Zeit in Verbindung: die erste Winterjacke des Lebens, weil man in der Heimat ja nie eine gebraucht hatte, die Tasche, in der man sein Pausenbrot mit zur Arbeit nahm, den Pass oder die Legitimationskarte. Ein wertvoller Beitrag zur Schau sind auch die Fotos des früheren AZ-Fotografen Klaus Benz, die er in den 70ern vom Leben der Gastarbeiter in Mainz anfertigte. Spannend aber auch Dokumente wie der „Knigge für den Umgang mit ausländischen Mitarbeitern“ der Schottwerke von 1965. „Achten Sie seine nationalen und religiösen Gefühle und seien Sie tolerant gegenüber seinen Landessitten“ oder „Laden Sie ihn dann und wann in ihren Familienkreis ein – denn Familienleben entbehrt er in der Fremde am meisten …“

 


Gastarbeiter laden um 1974 in der Mombacher Straße unterhalb der Hochbrücke ihre Koffer ab, die per Lkw vom Bahnhof zum Wohnheim gebracht worden waren.
Foto: Stadtarchiv Mainz
Quelle: https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/mainz/nachrichten-mainz/ausstellung-uber-gastarbeiter-der-ersten-generation_19147483

Informationen zur Ausstellung
  • Mainzer Gastarbeiter der ersten Generation in Zusammenarbeit mit dem Schlossgymnasium Mainz und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Uni Mainz
  • Ort: Stadthistorisches Museum, Zitadelle, Bau D, unterhalb Drususstein
  • Geöffnet: Sa und So 11 bis 17 Uhr, Fr 14 bis 17 Uhr; Gruppen und Führungen nach Absprache
  • Begleitheft zur Ausstellung ist im Museum erhältlich
  • Weiter informationen unterwww.stadtmuseum-mainz.de