Im Rahmen eines Programms des Deutschen Außenministeriums und des PADs (Pädagogischen Austauschdiensts) in Bonn ist eine chinesische Deutschlehrerin für ein Jahr an unsere Schule gekommen: Frau Qin Qin aus Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan und 15-Milllionen Metropole. Ihr Aufenthalt in Deutschland dient ihr zur Weiterbildung, indem sie in Unterrichtstunden in Deutsch und anderen Fächern hospitiert und auch mithilft zu unterrichten. Gleichzeitig kann sie als erfahrene Sprachpädagogin mit ihren muttersprachlichen Kenntnissen das Fremdsprachen-Profil unserer Schule sehr bereichern.
Wie kamen Sie dazu, nach Deutschland zu kommen?
Da ich Lehrerin bin, ist mein Leben eine ziemliche Routine, an der ich bis ich hierher kam nichts ändern konnte. Ich lebte ständig nach dem Verlangen nach etwas Neuem. Eines Tages hörte ich von dem Programm des PAD (Pädagogischer Austauschdienst) und wollte diese Chance ergreifen. Jedoch ist es undenkbar in China, dass eine Lehrkraft für längere Zeit fehlt; also war es sehr schwierig die Erlaubnis der Schulleitung zu bekommen. Deutschland unterstützte mich dabei sehr.
Wie lange werden Sie in Deutschland bleiben?
Ein Jahr insgesamt. Ich bin im Februar gekommen und fliege wieder im Januar zurück.
Welche Fächer unterrichten Sie?
In China unterrichte ich das Fach Deutsch, also nur ein Fach, da man bei uns nur ein Fach studieren muss.
Wie kamen Sie auf die Idee, Deutsch zu lernen?
Die Deutschlehrer in China sagen immer: Deutsch lernen, das ist Zufall, es ist aber auch Schicksal. So war es auch bei mir.
Was sind die Unterschiede zwischen dem Schulsystem in China und dem in Deutschland?
Diese beiden Schulsysteme sind sehr unterschiedlich. In Deutschland sind die Schüler viel freier, sie haben mehr Rechte und mehr Freizeit. Außerdem sind die Schulen in China nicht wie in Deutschland in Gymnasium, Gesamtschule und Realschule aufgeteilt, sondern in “gute” Schulen und “schlechte” Schulen. An dem Internat, wo sie unterrichtet werden, müssen die Schüler schon um 6.30 Uhr aufstehen, denn um 7.20 Uhr fängt der Unterricht an. Dieser geht dann oft bis 22 Uhr. Zwischendurch haben sie 1,5 Stunden Mittagspause. Obwohl der Unterricht so spät endet, müssen die Schüler oft noch Hausaufgaben in der Nacht machen. Viele Schüler müssen trotz all dem Unterricht am Wochenende noch Nachhilfe nehmen um durchzukommen. In China sind Fächer wie Mathe und Chemie besonders wichtig, während Fächer wie Sport, Kunst und Musik nur eine Stunde die Woche unterrichtet werden. In China ist der Leistungsdruck auch viel höher als in Deutschland.
Was halten Sie von uns deutschen Schülern?
Viele sagen, dass chinesische Schüler disziplinierter und höflicher als deutsche Schüler sind. Aber ich sehe es anders: Deutsche Schüler sind normalerweise aktiv, sie können ganz klar ausdrücken, was sie meinen und wollen. Sie halten ihre Rechte und ihre Freiheit für sehr wichtig. Die meisten von ihnen sind sehr selbstbewusst; von klein auf sind sie oft von der Familie, von der Schule und Gesellschaft so erzogen, dass jeder einzelne ganz besonders ist und eigene Stärken hat. Es gefällt mir sehr, dass sie im Unterricht so aktiv und motiviert sind, um fast alles kreativ mitzumachen. Chinesische Schüler wären sicherlich sehr neidisch, wenn sie wüssten, wie viel Freizeit deutsche Schüler für Hobbys und Sport haben. Im Vergleich zu chinesischen Schülern sind sie vielleicht lauter und offener, aber sie sind dabei nicht frech; vor Lehrern zeigen sie Respekt, in der Gesellschaft sind sie rücksichtsvoll und hilfsbereit; meistens halten sie sich sehr gut an die Regeln. Sie wissen dabei genau, wo die Grenze ist.
Welche Vorurteile hatten Sie gegenüber Deutschland bevor sie hierhergekommen sind, und haben sich diese bestätigt?
Das größte Vorurteil von mir ist wahrscheinlich das Essen. Als Chengduerin bin ich auf die Esskultur meiner Stadt unglaublich stolz. Der Geschmack von deutschem Essen ist für mich anders, vielleicht zu einfach und banal. Aber ich muss sagen, deutsche Lebensmittel haben eine sehr hohe Qualität. Alles ist sehr gut und streng kontrolliert.
Wie gefällt Ihnen die Stadt Mainz?
Meine Heimatstadt Chengdu ist mit 15 Millionen Einwohnern eine der größten Städte Chinas. Im Vergleich dazu ist Mainz sehr klein, aber gemütlich. Ich bin oft am Rheinufer spazieren gegangen und habe einmal sogar im Rhein geschwommen, alles gefällt mir sehr. Ich finde Mainz auch sehr schön, eine ordentliche Stadt mit einer guten und verkehrsgünstigen Lage zu den anderen großen Städten in der Nähe. Die Mainzer sind insgesamt sehr nett.
Was halten Sie von dem deutschen Essen?
Das Essen in Deutschland ist sehr anders als in China. Im Norden Chinas isst man viele Nudeln, im Süden viel Reis. So etwas wie Brot gibt es bei uns nicht. Ich finde deutsches Essen zu salzig, manchmal auch zu süß. Der Kuchen schmeckt allerdings sehr gut. Auch das Eis ist in Deutschland lecker und viel billiger als in China. Dort kostet eine Kugel Eis circa 4 Euro!
Kommen Sie gut mit Messer und Gabel klar?
Ich war schon mehrfach in Deutschland, deswegen ist es für mich kein Problem; allerdings fällt es vielen Chinesen schwer mit Messer und Gabel zu essen.
Welche Musik hören Sie gerne?
Die moderne chinesische Musik gefällt mir nicht so gut, ich mag lieber klassische Musik, aber in der Regel höre ich westliche Musik.
Wie finden Sie deutsche Musik?
Ich kenne nicht so viele deutsche moderne Musik, nur die bekanntesten, z.B das Lied „Achterbahn“. Ich finde eigentlich deutsche Musik nicht schlecht und benutze sie gerne als Unterrichtsmaterial. Das alte Lied „Deutschland” von den Prinzen ist bei chinesischen Schülern sehr beliebt.
Sie leben jetzt schon seit zehn Monaten in Deutschland und sind sicherlich dem einen oder anderen deutschen Kollegen begegnet. Was halten Sie von deutschen Männern?
Sie sind sehr freundlich, nett, liebevoll, charmant und Gentlemen. Viele können sogar gut kochen. Von den Kolleginnen aus anderen Ländern habe ich auch etwas vom guten Ruf der deutschen Männer gehört. Sie helfen viel im Haushalt und kümmern sich um ihre Kinder – in China ist das eher selten der Fall! Vielleicht liegt das daran, dass deutsche Frauen im Vergleich zu chinesischen unabhängiger und emanzipierter sind.
Was war ihr schönstes Erlebnis hier in Deutschland?
Ich bin sehr viel gereist, habe viel erlebt und sehr viele schöne Orte gesehen. Unter anderem war ich in Berlin und München und fand beide Städte besonders attraktiv. Die Hauptstadt Berlin, die ich nicht als ‚politisch‘ bezeichnen würde, hat mir gut gefallen – so wie ich in einem Zeitungartikel gelesen habe: Berlin, arm aber sexy.
In Mainz fand ich besonders den Rosenmontag toll. Das war ein sehr aufregendes und unvergessliches Erlebnis.
Was vermissen Sie in Deutschland? Haben Sie manchmal Heimweh nach China?
Ich vermisse meine Familie, vor allen Dingen meinen Sohn. Aber wir haben zum Glück durch das Internet miteinander Kontakt, also ist es nicht ganz so schlimm. Als ich mich in den Tagungen mit Lehrern aus den anderen 17 Ländern getroffen habe, die ebenfalls an dieser Fortbildung teilnehmen, hatte interessanterweise niemand wirklich Heimweh. Deutschland gefällt uns wirklich sehr gut.
In China gibt es doch chinesische Sternzeichen. Inwiefern unterscheiden sich diese von denen, die wir in Deutschland haben, und welches haben Sie?”
Die Sternzeichen in China sind dieselben wie in Deutschland, ich bin Skorpion.
Wenn Sie Skorpion sind, hatten oder haben Sie ja bald Geburtstag. Feiern Chinesen ihren Geburtstag genau so wie die Deutschen?
In China feiern wir Geburtstag meist mit Familie und Freunden zusammen. Oft gehen wir an diesem Tag etwas besonderes essen und trinken. Manchmal gibt es auch eine kleine Party zu Hause. Karten spielen ist bei uns am beliebtesten, Leute können auch Musik hören oder ein bisschen singen. Ich mag tanzen, leider mögen nicht viele Chinesen tanzen.
Hier noch eine etwas hypothetische Frage: Würden Sie lieber ein Jahr auf Reis oder ein Jahr auf ihr Handy verzichten… und warum?
Erstens, ich mag Reis nicht. Zweitens, ich gehöre zu den 95% der Chinesen, die an keinem Tag auf ihr Handy verzichten würden.
Vielen Dank für Ihre Antworten!