Ethik trifft Recht – Sollte die Strafmündigkeit in Deutschland herabgesetzt werden?

Aktuelle gesellschaftliche Themen gehören in die Schule und insbesondere in den Ethikunterricht. Dazu gehört auch der Umgang mit Jugendgewalt. Kriminalstatistiken zeigen, dass schwere Gewaltdelikte von immer jüngeren Täterinnen und Tätern verübt werden. Obwohl das Strafrecht nach dem JGG erst ab 14 Jahren Anwendung in Deutschland findet, drängt sich die Frage auf, ob die Strafmündigkeit in Deutschland nicht schon früher greifen sollte, wie es in anderen Ländern bereits der Fall ist.

Innerhalb der Themenreihe Was ist Gerechtigkeit? Sinn und Zweck von Strafen wurde diese Frage in meinem Ethikkurs der Jahrgangsstufe 12 anhand des Falls “Luise“ aus dem Jahr 2023 diskutiert, wo die beiden Täterinnen ein erstaunlich junges Alter aufwiesen. Als Expertin stand uns unsere frühere Schülerin und angehende Juristin Julia Karaulanova (Abitur 2019) Rede und Antwort. Sie kann bereits einen Master in internationalem Wirtschaftsrecht vorweisen und spezialisiert sich nun im Strafrecht.

Es wurde kontrovers diskutiert: einerseits müssen auch junge Täterinnen und Täter zur Rechenschaft gezogen werden, wenn man davon ausgeht, dass Kinder – wiederum durch unterschiedliche Einflüsse bedingt – früher erwachsen werden. Strafunmündigkeit kann nämlich dazu führen, dass Kinder sich „sicher“ fühlen, auch Nachahmung bzw. Verherrlichung können Folgen sein. Andererseits stellt sich gerade die Frage nach der entwicklungspsychologischen Reife von Kindern, und das Strafrecht muss in diesem Zusammenhang als geeignetes Erziehungsmittel für noch nicht ganz verantwortungsfähige Subjekte kritisch gesehen werden. Es scheint überdies sinnvoll, nach den Ursachen von Gewalt und unmenschlichem Verhalten zu fragen, für die wir alle – vor allem in erzieherischer und verantwortungsethischer Hinsicht – als Gesellschaft zügig Lösungen erarbeiten müssen.

Der Fall und die engagiert geführte Debatte zeigte eine enge Verzahnung von Rechtsprechung und Ethik und es hat Lust auf mehr „Expertenstunden“ dieser Art gemacht. Ich danke Frau Karaulanova für die hervorragende Moderation der Debatte und den Schülerinnen und Schülern für ihre tolle Mitarbeit!

Thomas Deierling