Allgemeine Zeitung | Rhine Cleanup: Freiwillige sammeln 140.000 Zigarettenkippen

Samstag, 14.09.2019 – 17:12

Beim Rhine Cleanup in Mainz lag der Fokus am Samstag auf Zigarettenkippen. Über 140.000 davon haben die 450 freiwilligen Helfer gesammelt. Doch es gab auch größere und kuriosere Funde.

Carina Schmidt: Lokalredakteurin Mainz
Von Carina Schmidt
Lokalredakteurin Mainz
MAINZ – Es stinkt buchstäblich bis zum Himmel. Über 140_000 Zigarettenstummel haben die ehrenamtlichen Müllsammler beim diesjährigen Rhine Cleanup entlang des Mainzer Rheinufers gesammelt. Am Ende werden sie alle in eine große, durchsichtige Säule gekippt, die zuvor am Holztor platziert worden war. Eine Rettungsaktion im übertragenen Sinne: Denn die Filter dieser Stummel können mehr als 5,6 Millionen Liter Grundwasser vergiften.
Wie mehrfach berichtet, handelt es sich bei Rhine Cleanup um ein länderübergreifendes Projekt, das 2018 ins Leben gerufen wurde und der Umweltverschmutzung am Rhein den Kampf angesagt hat. Über 103 Kommunen hatten sich bei der zweiten Auflage angemeldet. Mainz war zum zweiten Mal dabei.
Das fünfköpfige Orga-Team, bestehend aus Willi Kohlmann, Michael Kohlhas, Anne Stege, Michael Lange und Carsten Döbel zeigt sich hinterher vollauf zufrieden. Mengenmäßig ist in diesem Jahr weniger zusammengekommen als 2018. Doch das liegt vor allen Dingen am Schwerpunktthema Kippen. „Hinzu kommt der deutlich höhere Wasserpegel“, sagt Willi Kohlmann vom Orga-Team.
Große Müll-Funde sind dennoch dabei. Etwa ein altes, verrostetes Fahrrad und ein offensichtlich neuer Miet-E-Scooter unter der Eisenbahnbrücke am Winterhafen. In Mombach werden eine Badewanne, eine Kloschüssel, 50 Meter Kabel und rund 20 Autoreifen gefunden – mitten im Naturschutzgebiet. Kuriosester Fund in Laubenheim: sechs entsorgte Porno-DVDs.
Unter den rund 450 Helfern sind auch etliche „Wiederholungstäter“ wie Andrea Knappek (55) und ihr Chef Robert Reining (55) vom Mainzer Wassertechnikunternehmen „Xylem“. „Es ist Wahnsinn, wie viele Zigarettenstummel manchmal auf einem einzigen Quadratmeter herumliegen“, sagt Reining. „Wir haben uns schon zu sehr an den Anblick gewöhnt, sodass wir das Ausmaß meistens ignorieren.“
Der zehnjährigen Leo Becker findet unheimlich viele Kronkorken und sammelt mit seinem vier Jahre jüngeren Bruder Bruno in der Neustadt. „Für eine Umweltsaubermachaktion entbehre ich gerne ein bisschen Zeit“, sagt der Rüsselsheimer. Mutter Susanne hat ihn zu dem Zeitentbehren angestiftet und auch ihre Schwägerin Sandra Antoni samt Tochter Paula rekrutiert. „Zweimal im Jahr finde ich es wichtig, etwas mit der Familie für die Gesellschaft zu tun.“
Der Anspruch, der Welt etwas zurückgeben zu wollen, hat auch Studentin Anja Jeitner (22) zum Mitmachen motiviert. „An der Uni setzen wir uns tagtäglich mit dem Weltgeschehen auseinander.“ Doch Rumdiskutieren allein reiche nicht. Jeder sei verantwortlich dafür, ein Zeichen zu setzen. „Nicht mitmachen ist keine Alternative.“
Leere Partylikör-Fläschchen und Scherben finden die 18 Schüler des Schlossgymnasiums um ihre Lehrer Dr. Kirsten Schön und Martin Seimetz in der Altstadt. Selbst ehemalige Schüler, die im vergangenen Jahr schon dabei waren, haben sich angeschlossen. „Ich möchte den Leuten zeigen, dass der Müll tatsächlich weniger werden kann, wenn man sich kümmert“, betont Anna Baureiß (18). Eigentlich würde sie sich noch viel mehr Aktionen wie den Rhine Cleanup wünschen. „Als ich mit dem Fahrrad von Bischofsheim hierher gefahren bin, habe ich überall Müllecken gesehen.”
Aus Albert Edelmanns (76) Sicht müssten nicht nur die Bürger, sondern auch die Stadt mehr tun, um die Müllproblematik in den Griff zu bekommen. „Es gibt viel zu wenige Möglichkeiten, um Zigaretten zu entsorgen“, schimpft der Professor für Baustoffkunde.
Um 13 Uhr ist Schluss, für die Helfer gibt es hinterher noch am Mainz-Strand und an der Mole am Winterhafen gratis ein Getränk und eine Brezel zur Stärkung.
Was vielen Helfern am Samstag nicht bewusst ist: Auch hinter den Kulissen sind Freiwillige am Werk. Nämlich sieben Müllwerker des städtischen Entsorgungsbetriebs. Eigentlich hätten sie mit ihren Familien zu ihrem jährlichen Betriebsfest gehen können. Der Rhine Cleanup ist ihnen aber eine Herzensangelegenheit.